Madame Michèles Hüsli im Haus
NZZ Folio, Oktober 2004

Die Seherin und Geistheilerin Madame Michèle in ihrem Seher-
und Heilerraum in Rheinfelden AG. Das Hüsli ist für die
schwereren Fälle da und dazu, dass man im Alphazustand nicht
erschrickt.
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«ICH HABE SCHON als kleines Kind Dinge
vorausgesehen. In unserem Dorf, in Wald, gab es einen Clochard, und
ich sagte: der wird im Winter von den Wildschweinen gefressen. Und
so kam es auch. Ich bin sehr mit der Muttergottes verbunden, denn
ich bin die Inkarnation der Bernadette von Lourdes. Als ich fünf
war, merkte man, dass ich heilende Hände habe, ich stand am
Krankenbett meines Göttis und hatte Weh. Ich hatte seine Schmerzen
in meinen Körper gezogen.
Professionell mit Heilen und Hellsehen habe ich anno 1968 begonnen,
nach der Scheidung. Vorher war ich in der Mode tätig und führte ein
ziemlich mondänes Leben. Ich habe das dritte Auge. Das müssen Sie
sich vorstellen wie Fernsehen. Ich kann genau sagen: die Person, der
Sie begegnen werden, ist 1 Meter 90 gross, hat dunkles Haar, ein
braungebranntes Gesicht und trägt einen grauen Anzug. Und es wird
ungefähr in 17 Wochen sein. Ich gebe die Prognose den Leuten
schriftlich mit. Das finden Sie sonst nirgends.
Beim Heilen fühle ich es in den Fingerspitzen. Wenn es auf Sendung
geht, werden meine Fingerkuppen rot. Ich ziehe den Schmerz des
Patienten in meinen Körper und schicke ihm Heilkraft, per Laser,
sage ich jeweils. Wenn jemand stark Weh hat, bleibt das bis zu drei
Tage in mir. Bei einem Schwerefall muss der Patient ins Hüsli, sonst
machen wir es am Tisch. Als erstes putze ich beim Geistheilen immer
die Meridiane, damit es wieder fliesst.
Wenn ich überarbeitet bin nach sehr vielen Leuten, sehe ich nicht
mehr farbig, nur noch schwarzweiss. Dann kann ich nicht mehr
erkennen, hat der, der bald kommen wird, jetzt blaue oder braune
Augen. Ich sehe nur noch, dass er kommt.
Meine Bilder male ich in Meditation, ich weiss nie, was entsteht.
Sie haben eine grosse Tiefe. Wenn der Mensch ein Bild von mir
betrachtet, kann er die Energie abrufen, die ich hineingegeben habe.
Plötzlich sieht er dann die Lösung. Wenn einer gesundheitliche
Probleme hat, dann nimmt er eher ein Smaragdbild, weil grün heilend
ist. Er hängt es ins Zentrum seiner Wohnung, und plötzlich ist die
Heilung da. Nachher kauft er vielleicht ein blaues Bild, das nur
noch Harmonie verströmt. Die Bilder, die Zärtlichkeit, Sehnsucht
oder Träumereien heissen, werden meist von Männern gekauft, es
kommen sowieso mehr Männer als Frauen zu mir. Die Bilder helfen aber
auch Kindern. Ein Kind mit einem Teddybärbild von mir wird nie
Lernprobleme haben.
Im vorderen Teil des Raums gebe ich meine Seminare. Das
Geistheilerseminar dauert drei Abende, das Schutzengelseminar einen
Abend. Jeder Mensch kann ja seinen Schutzengel sehen und
kennenlernen. Schüler von mir haben ihn sogar fotografiert, einer
brachte eine Polaroidaufnahme mit. Man sah hinter einer Kerze einen
rosaroten Schatten. Wobei ich ihnen sage: das solltet ihr nicht tun.
Ich habe viel Prominenz unter den Patienten. Die Leute kommen
hauptsächlich wegen der Gesundheit zu mir, aber auch wegen ihrer
Geschäfte. Die kann man mit den geistigen Kräften positiv
beeinflussen. Viele Geschäfte gehen ja nicht, weil Neider da sind,
die einem den Untergang wünschen - und Gedanken sind Kraft. Man muss
dann die negativen Kräfte vor der Türe auflösen, dann läuft das
Geschäft wieder. Wichtig ist, dass man an das glaubt, was man will.
Wenn man um den Erfolg und um das Ziel bittet und betet, dann kriegt
man es auch zu 99 Prozent.

Kupfergasse 18, Rheinfelden. |
Oder es sei halt unabänderliches
Schicksal. Dann sage ich: du musst loslassen, auch ich kann dir
nicht helfen. Aber das ist selten, sehr selten, in tausend Fällen
vielleicht zwei. Ich sage dann: schreib auf ein Zettelchen, was du
dir wünschst. Dann wickeln wir den Zettel um ein Steckchen und
heften eine Blume dran, gehen miteinander an den Rhein, und ich
sage: schau, wie der Rhein fliesst, jetzt übergib deine Wünsche dem
Schicksal. Dann sieht er, dass das Steckchen sich nicht sperrt: es
übergibt sich und fliesst.
Diesen Raum hier habe ich seit zehn Jahren, zuvor war ich 25 Jahre
vis-à-vis. Vor kurzem habe ich umgebaut, ein Hüsli hatte ich aber
schon vorher hier drin. Ich bin ein Steinbock, wissen Sie; der
braucht nichts Grosses. Ich bin gern klein, ich bin gewöhnt an
Bescheidenheit. Im Jura, wo ich ein Kinderferiendorf gebaut habe,
bewohne ich auch das kleinste Zimmer. Vielleicht liebe ich kleine
Räume, weil ich bis fünfjährig bei einer Pflegemutter war, wo wir zu
viert in einem zwei mal drei Meter grossen Raum schliefen, je zu
zweit in einem Bett. Das Muetti war sehr lieb und sehr gläubig, wie
ich es auch bin. Ich fahre im Jahr zwei- bis viermal nach Lourdes.
Dort trinke ich den ganzen Tag Wasser und hole mir Kraft.
Wenn ich heile, läuft leise Musik, das erzeugt schon mal eine
Schwingung. Vorher hatte ich hier einen Himmel aus hellblauen
Vorhängen, jetzt zeige ich mit den farbigen Tüchern eher den Weg
auf, den der Mensch sucht. Ich habe überlegt: Dort vorne kommt er
herein, dann zieht es ihn hier nach hinten. Er sucht ja Geborgenheit
und Wärme, und das wird ausgestrahlt von diesem Orange, Gelb und
Weiss.
Das Hüsli habe ich, damit es absolut ruhig ist. Jeder hat ja frühere
Leben, in die er Einblick nehmen kann. In der Meditation kommt man
in einen Alphazustand. Da macht es schschpp! und du bist weg. Im
Alphazustand darfst du auf keinen Fall erschrecken. Das wäre, wie
wenn du beim Astralwandern erschrickst: du kommst nicht mehr zurück
in den Leib.
Ob jemand hellsichtig ist, ersehe ich aus dem Horoskop, und
natürlich spüre ich es auch. Sie zum Beispiel haben den Mars im
Zwilling, das bedeutet: ein quicker Geist und viel Bewegung. Und den
Saturn im Krebs: direkter Draht zu Gott. Mondknoten im Krebs: sehr
sensibel. Sie verkehren viel in höherer Gesellschaft. Das ist
karmisch, das steht Ihnen zu, Sie müssen es sich nicht erkämpfen.
Den Jupiter haben Sie in der Jungfrau: stabiles Glück. Sie sind also
nicht einmal unten und einmal oben, Sie sind einfach da.
Ich war achtzehneinhalb Monate im Rollstuhl, das sah ich mit sieben
Jahren voraus, und schon zweimal im Jenseits. Aber tot ist nicht
tot. Als Bimbo starb, mein Hund, habe ich ihm einen kleinen Sarg
gemacht und <Gute Reise> draufgeschrieben. Nach zehn Tagen kam sein
Geist und sagte: Du kannst den Deckel zunageln, ich bin nicht mehr
dort. Wenn ich nach Lourdes fahre, ist er immer noch dabei. Als
meine Mutter gestorben war, war es ganz extrem. Sie setzte sich mir
immer auf die Motorhaube und sagte: Komm, wir gehen in den <Adler>.
Dort wollte sie einen Zweier. Dann haben wir zusammen gelacht. Die
Leute dachten wahrscheinlich, ich sei meschugge.
Im Jura haben wir Ausserirdische. Wenn ich abends mit Bimbo
spazierenging, standen sie dort. Hohe Gestalten mit langen Hälsen
und ovalen Gesichtern, und sie sind rosarot. Sie haben sich oft zu
Bimbo herabgekauert, und ich dachte: vielleicht nehmen die ihn mit.
Wenn er auserwählt gewesen wäre zum Mitgehen, wäre mir das auch
recht gewesen.»
Aufgezeichnet von Lilli Binzegger
Fotos: Christian Känzig
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